„Hörst du mir endlich mal zu!?“ Diesen Satz haben bestimmt schon viele Eltern gesagt. Ich möchte in diesem Text darauf eingehen, dass dieser Satz weniger mit Absicht als mit Unterschieden in der Kommunikation zwischen Eltern und Kindern zu tun hat.
1. Wissensunterschied
Oftmals unbewusst klar und dennoch schnell vergessen: der
enorme Wissensunterschied zwischen Eltern und Kindern. Wenn zum Beispiel Kinder
laut machen und uns das ärgert, liegt das oft daran, dass die Kinder kein
Wissen darüber haben wie laut LAUT eigentlich ist. Und so werden laut die schlafenden
Nachbarn oder das schlafende Baby geweckt.
Genauso bei Gefahrenquellen: Wir sagen Stopp oder Nein,
um sie auf unsere Einschätzung der Lage aufmerksam zu machen. Die Kinder hingegen
nehmen aufgrund des fehlenden Wissens dieselbe Situation überhaupt nicht als Gefahr
wahr. Hier braucht es dann eine andere Art von Kommunikation: Nämlich mehr
Nähe, Begleitung und Erklärung, um unser Wissen zu vermitteln ohne nur auf
unsere Autorität zu pochen. Zum Beispiel könnten wir an einer hohen Kante
Steine kullern lassen oder anhand des Teddys zeigen, was passieren könnte.
2. Unterschiedliche Prioritäten und Ziele
Wir als Erwachsene haben natürlich ganz andere Prioritäten
und Ziele als Kinder. Diese wollen vor allem Wachsen, Entdecken und Ausprobieren.
Demgegenüber stehen die Ziele unseres Erwachsenenalltags: Zeiten einhalten, to
dos schaffen, Arbeiten, Dinge im Ist-Zustand belassen.
Am Beispiel mit der Zeit kann man diesen Punkt gut erklären.
Kinder wollen Ankommen, in den Flow kommen und dann auch nicht wieder losgehen.
Wir als Eltern sehen hingegen die Herausforderung in der immer kürzer werdenden
Zeit noch das Abendbrot vorzubereiten. Auch ein bunt angemaltes Sofa ist für
uns kein gewünschtes Ziel, was hingegen Kinder total gern tun würden.
3. Fehlender Perspektivwechsel
Dieser Punkt ist immer wieder wichtig bei allen Kindern
unter fünf Jahren und wird meiner Erfahrung nach gern unterschätzt. Es wird
unterschätzt, was damit und welche Folgen damit einhergehen. Denn es ist so,
dass kleine Kinder sich nicht in andere hineinversetzen können, nicht mitfühlen
und sich auch nicht vorstellen können, dass andere Menschen andere Ansichten,
Gefühle oder Ideen haben.
Der fehlende Perspektivwechsel führt also dazu, dass sie zum
Beispiel nicht verstehen und fühlen, dass Kneifen weh tut. Das sollte natürlich
in unsere Art zu kommunizieren einfließen, kann uns aber auch gleichzeitig
beruhigen, dass Kinder in diesem Alter nicht absichtlich oder hinterhältig reagieren,
sonders es schlicht und einfach an der fehlenden kognitiven Reife liegt.
Die Gehirnentwicklung hin zum mitdenkenden und mitfühlenden
Menschen ist noch nicht so weit. Kinder unter fünf denken egozentrisch. Nicht
egoistisch, sondern egozentrisch. Aufgrund des fehlenden Perspektivwechsels
gibt es nur ihren Standpunkt, ihre Ziele und ihre Gefühle.
In der Kommunikation können wir dies berücksichtigen, in dem
wir nah begleiten, viel erklären und Gefühle spiegeln. So können die Kinder
nach und nach in den Perspektivwechsel begleitet werden, bis er dann von der Gehirnentwicklung gesteuert vollends eintritt.
4. Machtgefälle
Die letzte und somit vierte Herausforderung ist das uns oft
nicht bewusste Machtgefälle zwischen Erwachsenen und Kindern. Wir Erwachsenen
haben mehr Macht. Wir haben in der Regel Finanzen zur Verfügung, einen
Wissensvorsprung, haben entschieden, wo wir wohnen, wie viele Geschwister unser
Kind haben wird, welche Werte wir leben und wie wir eben generell leben wollen.
Egal wie gleichwürdig und beziehungsorientiert wir also mit unseren Kindern
leben: das Gefälle ist da.
Diese unterschwellige Erkenntnis der Abhängigkeit und auch
einer gewissen Ohnmacht kann bei Kindern dazu führen, dass sie wütend werden
und sich in bestimmten Situationen vielleicht hilflos fühlen. Auch dass sie eventuell
Verantwortlichkeiten übernehmen wollen und es dann doch nicht machen, weil sie spüren,
dass sie nicht weitreichend und selbstbestimmt genug sind.
Unsere Aufgabe ist es also regelmäßig uns zu hinterfragen
und das Gefälle bestmöglich anzugleichen. Eben auf Augenhöhe und in Beziehung
mit unseren Kindern zu gehen. Und vor allem es nicht weg zu reden, weder für
uns selbst noch für die Kinder. Eine offene Kommunikation darüber, dass diese
Abhängigkeit da ist, kann Kindern unheimlich helfen und ein offenes Gespräch
über Möglichkeiten kindlicher Selbstbestimmung eröffnen. Dafür braucht es das Bewusstsein,
dass dieses Gefälle vorhanden ist und bei Kindern zu Frust führen kann - auch
schon bei kleinen Kindern.
Das Ziel ist hier, wenn es zu viele Momente gibt, in denen
es im Familienalltag hakt und Gefühlsausbrüche gibt zu schauen wie diese gelöst
werden können. Eine Ja-Struktur, also Abläufe und Kommunikationen ohne viele
Neins, können dann helfen. Ähnlich wie bei der Ja-Umgebung kommt es hier darauf
an zum Beispiel den Tagesablauf so anzulegen (z.B. mit Pausen,
Entscheidungsfreiheiten und Transparenz) dass es nicht zu so vielen Nein-Momenten
kommt.
Vor welchen Herausforderungen stehst du gerade?
Und wer mehr zur Kommunikation mit Kindern lernen möchte, kann sich für meinen kostenfreien Workshop „Kindgerecht Kommunizieren mit der Gewaltfreien Kommunikation“ am 1.9.21 teilnehmen. Klicke hier und melde dich an!
Deine Anne
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