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In meinen Blogartikeln schreibe ich vom bedürfnis- und beziehungsorientierten Umgang mit Kindern bzw. der ganzen Familie. Doch was bedeutet das? Wieso vertrete ich diese Form des Zusammenlebens und heißt das, das „Erziehen“ nicht nötig ist? Die letzte Frage möchte ich gern mit `Ja` beantworten, auch wenn ich selbst noch lerne und im Alltag gern mal in alte Erziehungsmuster zurückfalle.
Geschichtlich gesehen war „Erziehung“ schon eine
Errungenschaft für sich: nämlich die Erkenntnis, dass Kinder nicht einfach
kleine Erwachsene sind, sondern besonderer Pflege und Zuwendung bedürfen. Aus
diesem Gedanken heraus hat sich der Umgang mit Kindern von einem eher zu
Vernachlässigung neigendem Verhalten hin zu verschiedenen Überlegungen, wie man
Kinder zu guten Erwachsenen formen kann, entwickelt. Verschiedene Theorien
kamen auf, beispielsweise auch die „tabula rasa“. Hier nahm man an, das Kind
sei ein unbeschriebenes Blatt, welches man nach seinen Vorstellungen formen
kann. Doch man stellte fest, dass dies nicht möglich war; die Kinder entwickelten
sich trotz gleicher Vorgehensweise dennoch unterschiedlich. Natürlich! Heute
weiß man, dass Gene, Temperament und viele äußere Einflüsse nicht steuerbar
sind.
Zudem wurden im Laufe der Geschichte verschiedene Arten der
Züchtigung (häufig in Form von Gewalt) angewendet. Zum Glück ist das heute
gesetzlich verboten und die wissenschaftliche Erkenntnis da, das Gewalt – egal
ob psychisch oder psychisch- schädlich ist. Mit dieser zunehmenden Erkenntnis
versuchten nun viele Pädagogen mit anderen Methoden wie Strafen („Dann bekommst
du kein Abendbrot.“ „Dann musst du eben nachsitzen.“) oder positiver
Verstärkung (Lob: „Das hast du gut gemacht.“ oder Geschenke für Erreichtes)
ihre Ziele zu erreichen. Trotzdem bleiben es die Ziele der Erwachsenen und
damit wird immer nur die extrinsische Motivation („Ich mache das, damit ich
gelobt werde oder damit ich keine Strafe bekomme“) angekurbelt.
Die innere Entwicklung des Kindes, die intrinsische (innere)
Motivation sich zu entwickeln und zu lernen bleibt da außen vor. Erst mit der
Reformpädagogik (Vertreter wie Maria
Montessori, Janusz Korczak, Célestin Freinet usw.) eröffnete sich eine neue Sichtweise auf Kinder. Ein
neues Denken begann. Auch Forschungen zu Bindung und Bindungstypen gaben Anstoß
sich über einen anderen Umgang mit Säuglingen und Kindern Gedanken zu machen
und viele Weiterentwicklungen und Erkenntnisse im pädagogischen Bereich
folgten. Auch Entwicklungspsychologenen wie Erikson, Piaget und Kohlberg
machten deutlich: Kinder bringen alles
mit. Sie wollen sich entwickeln. Nach einer geschafften Entwicklungsstufe
folgt die nächste. Das Umdenken in Bezug auf Kinder ging weiter und Sozialwissenschaftler
wie Alice Miller, Ekkehard von Braunmühl, Jean Liedloff beschäftigten sich mit
dem Aufwachsen von Kindern ohne herkömmliche Erziehung.
Der afrikanische Spruch: „Das Gras wächst nicht schneller,
wenn man daran zieht“ fasst die Erkenntnisse für mich ganz gut zusammen. Wenn
die Bezugspersonen es zulassen (können) und eine geeignete kindgerechte
Umgebung schaffen, dann entwickeln sich Kinder umfassend und zeigen eine ganz
eigene Motivation zu lernen und die Welt verstehen zu wollen. Es braucht keiner
Verschiebung auf äußere Anreize wie Lob oder Geschenke. Dafür braucht es aber
ein Loslassen (der eigenen Ziele für
das Kind) und Vertrauen (in die
kindliche Entwicklung). Das heißt wiederum, dass wir Erwachsenen nicht an
unseren Kindern arbeiten müssen, sondern an uns selbst: Welche Ziele haben wir
für unsere Kinder? Welchen Zeitplan? Welche unbewussten Wünsche oder auch
Präsentierwünsche gegenüber der Umwelt (Ich bin eine tolle Mutter, wenn mein
Kind x kann. – Nein, auch sonst! J
)?
Was heißt das jetzt konkret? Ich bin über viele Stationen
und Entwicklungen dahin gekommen, wo ich heute meine pädagogischen
Überzeugungen sehe. Zusammenfassend ist es letztlich ein Leitsatz geworden, der
mich im Alltag begleitet: Jede Familie
kennt sich und ihre Kinder am besten und sollte gemeinsam Wege finden, wie - ohne
Gewalt und Machtkämpfe - ein liebevolles Zuhause und ein wertschätzender Umgang
gestaltet werden kann, egal was die „Umwelt“ darüber denkt. Den letzten
Teil finde ich am schwersten: das heißt nämlich andere Meinungen ausblenden zu
können und ebenfalls nicht über andere zu urteilen! Leider sind wir
psychologisch und gesellschaftlich sehr darauf gepolt, da habe ich auch noch
ein gutes Stück Arbeit vor mir.
Auf meinem Weg seit der Studienzeit haben mich viele Bücher,
Blogs und Menschen begleitet. Als werdende Mama ermunterte mich als erstes das
Buch „Hebammensprechstunde“ von Ingeborg Stadelmann dazu auf mich und mein Kind
zu hören. Tragen mit Tragetuch war für mich schon lange klar, aber auch dies
eröffnete mir den weiteren Weg zu einem bedürfnisorientiertem Umgang mit meinem
Herzmädchen (Stillen, Tragen, Familienbetten nach Bedarf und ohne Angst zu
Verwöhnen) und anschließend zu vielen anderen Themen wie Baby led Weaning, ständiges
Loben weglassen, Entwicklungsziele als Leitfaden betrachten, Ja-Umgebung
schaffen, kreative Lösungen finden und Meckern sein lassen. Schritt für Schritt
wuchs ich in diesen Umgang hinein und vertraute meinem Herzmädchen voll und
ganz. Mit ihrer zunehmenden Autonomie und eigenen Meinung ist es nicht
unbedingt leichter geworden. Hier liegen öfter Stolpersteine, so dass ich doch
anfange zu meckern, zu erziehen und meine Ziele durchzusetzen, aber meist meldet
sich mein Verstand doch recht schnell zurück und ich schaue nach neuen Wegen.
Also Ja, wir brauchen „Erziehung“ (deswegen auch immer in
Klammern bei mir) im klassischen Sinne nicht. Ich sage im klassischen Sinne, da
man inzwischen den Begriff der „beziehungsorientierten Erziehung“ öfter liest
und es meist den oben beschriebenen Weg meint. Vertreter wie Jesper Juul, Katharina
Saalfrank, Alfie Kohn fordern bedingungslose Liebe und Vertrauen mit Blick auf
entwicklungspsychologische Bedürfnisse von Kindern. Es ist nicht nötig
festgeschriebenen Regeln und Vorgaben nachzujagen. Viel sinnvoller ist es
gemeinsam als Familie zu schauen, was wichtig ist, welche Bedürfnisse gerade
vorne anstehen und wie man auf Augenhöhe (also ohne das Machtgefälle
Erwachsener-Kind) vertrauensvolle Wege gehen kann.
Denn eines ist sicher: Strafen, Manipulation und Gewalt
führen zu einem Abbruch der Beziehung. Kinder werden eher versuchen ihre
eigenen Ziele auf anderem Weg (wenn nötig mittels Geheimnissen und Lügen oder
innerer Abspaltung) zu erfüllen. Sie werden nicht versuchen ihre Wünsche mit
uns zu teilen und zu erfüllen; sie beginnen uns als Eltern zu misstrauen und Angst
zu haben, wir könnten verbieten oder strafen. Wissen sie aber, dass sie alles
mit uns besprechen können und dann ein gemeinsamer Weg gefunden wird, werden sie
sich vertrauensvoll an uns wenden. Egal was ist, weil sie nicht die Konsequenz
fürchten müssen.
Dieses Vertrauen in unsere Beziehungen ist unsere größte
Anlage, denn Kinder brauchen uns, sie lieben uns und wollen kooperieren. Ohne
dass wir es verdeutlichen müssen, wissen sie, dass sie von uns abhängig sind.
Dafür braucht es keine harten Worte, Konsequenz a la „damit sie uns nicht auf
der Nase herum tanzen“ oder Drohungen („Dann gehe ich eben allein nach Hause.“).
Das schadet der Beziehung zu unserem Kind und ihrem kindlichen Streben nach
Kooperation.
Zudem habe
ich unser größtes „Ass im Ärmel“ noch gar nicht genannt: das Vorleben. Kinder
lernen durch Beobachtung und Nachahmung am einfachsten und effektivsten von
uns. Wir können viel über Höflichkeit erzählen, wenn wir sie selbst nicht
leben, ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass unser Kind freundlich mit seinen
Mitmenschen umgeht. Nehmen wir unser Kind ernst und akzeptieren seine Grenzen,
wird es auch uns ernst nehmen und unsere Grenzen akzeptieren.
Schon Friedrich Fröbel hat die zwei grundlegenden Pfeiler im Zusammenleben mit Kindern treffend beschrieben: "Erziehung ist Vorbild und Liebe, sonst nichts" und damit hat er, wie ich finde, sehr recht.
Schon Friedrich Fröbel hat die zwei grundlegenden Pfeiler im Zusammenleben mit Kindern treffend beschrieben: "Erziehung ist Vorbild und Liebe, sonst nichts" und damit hat er, wie ich finde, sehr recht.
Eure Anne
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PS1: Wenn ihr auf der Suche nach neuen Wegen im Familienleben seid und Unterstützung braucht - schreibt mich gerne an und ich berate euch!
Quellenverzeichnis
Karin und Klaus Grossmann: Bindungen – das Gefüge
psychischer Sicherheit
> siehe auch: https://de.wikipedia.org/wiki/Bindungstheorie
Herbert Gudjons: Pädagogisches Grundwissen
Jesper Juul: verschiedene Bücher, Kolumne bei standart.at
Alfie Kohn: Liebe und Eigenständigkeit
Remo H.
Largo: Babyjahre
Jean Liedloff: Auf
der Suche nach dem verlorenen Glück: Gegen die Zerstörung unserer
Glücksfähigkeit in der frühen Kindheit
Katharina Saalfrank: Was
unsere Kinder brauchen: 7 Werte für eine gelingende Eltern-Kind-Beziehung
Ingeborg Stadelmann: Die Hebammensprechstunde
Martin R. Textor: Die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern
und Jugendlichen als Herausforderung an Familie und Schule (http://www.kindergartenpaedagogik.de/25.html)
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